Portrait von Daniel Günther
© Frank Peter

Interview mit Ministerpräsident Daniel Günther: Klimaschutz, soziale Verantwortung und Innovation müssen Hand in Hand gehen

Gesellschaft und Politik

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther hat die Schirmherschaft für die bpa Care about | Innovations-Days 2025 übernommen. Im Interview betont er: Klimaschutz, soziale Verantwortung und Innovation müssen Hand in Hand gehen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident: Sie haben die Schirmherrschaft für die bpa.CareAbout 2025 – eine Messe mit Kongress rund um das Thema Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft – übernommen. Was hat Sie bewogen?

Eine der größten und drängendsten Herausforderungen unserer Zeit ist der Klimawandel. Wir müssen alles tun, um unsere Gesellschaft klimafreundlich und klimaneutral zu gestalten. Die Sozialwirtschaft nimmt eine Schlüsselrolle bei der Erreichung sozialer Nachhaltigkeit ein, da sie sich um das Wohlergehen der Menschen kümmert und soziale Dienstleistungen erbringt. Bildung, Gesundheitsversorgung, Bekämpfung von Armut, Inklusion, Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, das sind alles wichtige Bereiche der Sozialwirtschaft mit einer großen Bandbreite, die viele Menschen betreffen. Eine zukunftsfähige Sozialwirtschaft sollte deshalb auch immer zusammen gedacht werden mit Nachhaltigkeit und Innovation. Gleichzeitig dürfen wir die sozialen Auswirkungen für die Menschen nicht vergessen. Wir müssen Klimaschutzmaßnahmen sozial gerecht ausgestalten und besonders Belastungen für einkommensschwache Haushalte und Kleinstunternehmen abfedern. Das ist für die Akzeptanz und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft entscheidend.

Ich danke dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste dafür, dass er sich ebenfalls in diesem Bereich engagiert und generell immer wieder gemeinsam mit der Landesregierung Themen aus dem Bereich der Pflege und der sozialen Dienstleistungen auf wertschätzende Weise ins Licht der Öffentlichkeit rückt.

Präsident Bernd Meurer hat betont, dass es dem bpa nicht darum gehe, die Einrichtungen zu mehr Nachhaltigkeitsanstrengungen zu verpflichten, sondern den Entscheidern und Entscheiderinnen die Grundlagen für ihre unternehmerischen Entscheidungen zu liefern. Wie sehen Sie das, braucht es mehr verbindliche Vorgaben für Klimaschutz in den Einrichtungen?

Die Sozialwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle für eine nachhaltige Gesellschaft. Sie sollte sich schon aus eigenem Interesse aktiv mit den Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen.

Nachhaltigkeit bedeutet künftig mehr und mehr auch Existenzsicherung, denn sie wird zunehmend zu einem wichtigen Kriterium für Förderungen, Sponsoren und die Gewinnung von Fachkräften. Davon ist auch die Sozialwirtschaft nicht ausgenommen.

Gleichzeitig hilft eine nachhaltige Ausrichtung den Einrichtungen auch, wichtige Ressourcen zu sparen. Viele Einrichtungen sind deshalb bereits stark daran interessiert, ressourcenschonender zu arbeiten, um zur Klimaneutralität und einer guten Lebensgrundlage für kommende Generationen beizutragen. 

Deshalb glaube ich, dass wir nicht mit verbindlichen Vorgaben weiterkommen, sondern mit Überzeugungsarbeit und Förderung von innovativen Ideen. Dabei ist es immer wichtig, die Umsetzbarkeit zu berücksichtigen. Nicht alle Einrichtungen haben die selben Voraussetzungen und Möglichkeiten. Am Ende ist es entscheidend, dass Klimaschutz und soziale Arbeit Hand in Hand gehen können.

Viele Investitionen in Nachhaltigkeit rentieren sich mittel- bis langfristig auch wirtschaftlich für die Einrichtungen. Gleichwohl führen höhere Investitionen zunächst zu höheren Kosten für z.B. Bewohner und Bewohnerinnen von Pflegeheimen. Braucht es deshalb mehr Unterstützung durch den Staat?

Gerade in älteren Pflegeeinrichtungen sind solche Maßnahmen mit hohen Anfangsinvestitionen verbunden, die sich oft auf die Eigenanteile der Bewohnerinnen und Bewohner auswirken können. Klimaschutz ist unglaublich wichtig, die Maßnahmen müssen aber auch sozial verträglich sein. Damit die Investitionen in Nachhaltigkeit nicht zulasten der ohnehin finanziell stark belasteten Pflegebedürftigen gehen, ist eine staatliche Unterstützung sicher sinnvoll.

Die Landesregierung setzt sich dafür ein, die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung und Pflege kontinuierlich zu stärken – innovativ, sozial und umweltbewusst. In diesem Zusammenhang möchte ich auf unsere Strategie für Social Entrepreneurship und Soziale Innovationen hinweisen. Mit ihr möchten wir Nachhaltigkeit und soziales Unternehmertum fördern. Unabhängig davon muss der Bund aber auch eine grundlegende Pflegereform auf den Weg bringen, damit die viel zu hohen Eigenteile in der Pflege nicht noch weiter durch die Decke gehen.

Förderprogramme für die Pflege- und Gesundheitswirtschaft werden häufig ausschließlich für kommunale oder gemeinnützige Unternehmen aufgelegt. Ein Beispiel ist das Förderprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ des Bundes. Wie schätzen Sie dieses Vorgehen ein?

Zu meinem Bedauern gibt es bisher nur sehr wenige Förderprogramme für Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung für die Pflege- und Gesundheitswirtschaft. Deshalb ist das Förderprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ des Bundes äußerst wichtig. Mit diesem Förderprogramm sollen z.B. gemeinnützige Vereine, Verbände, Stiftungen und Wohlfahrtsverbände, aber auch Kirchengemeinden erreicht werden, die sonst keinen anderen Zugang zu Fördermöglichkeiten für Maßnahmen zur Klimaanpassung haben. Klar ist aber auch, dass wir Förderprogramme für Klimaschutz und Klimaanpassung in der Pflege- und Gesundheitswirtschaft deutlich ausweiten müssen. Die Landesregierung hat dies erkannt und deshalb finden sich im Klimaschutzprogramm 2030, das im Dezember vergangenen Jahres verabschiedet wurde, mehrere Maßnahmen zum Klimaschutz in Krankenhäusern und zur Förderung sozialer Träger.

Eine weitere Möglichkeit, mit der Mittel für die Pflege- und Gesundheitswirtschaft für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden können, sind die Sondervermögen des Bundes. Die aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität unterstützten Vorhaben sollten – wo geeignet – die Ziele der Sanierung und Modernisierung der Infrastrukturen und von Investitionen in Klimaneutralität integrieren. Das betrifft insbesondere Investitionen in Gebäude und würde damit z.B. auch Krankenhäusern zugute kommen. Mit Mitteln des Sondervermögens modernisierte Gebäude sollten auch auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 ertüchtigt werden, denn es ist insgesamt kostengünstiger, Belange des Klimaschutzes in ohnehin erfolgende Sanierungen zu integrieren, als zu späteren Zeitpunkten eine zweite Sanierung durchführen zu müssen.

In Schleswig-Holstein fällt dem Betrachter schnell auf, dass verstärkt auf erneuerbare Energien gesetzt wird. Ist Schleswig-Holstein auf einem guten Weg oder gibt es noch Luft nach oben?

Schleswig-Holstein ist bei der Energiewende auf einem sehr guten Weg. Wir sind das Kraftwerk der Republik – seit Jahrzehnten verwandeln wir unseren reichlich vorhandenen Küstenwind in saubere, erneuerbare Energie. Heute erzeugen wir rund doppelt so viel Strom aus Sonne, Wind und Biomasse, wie im Land selbst verbraucht wird. An rund acht Monaten im Jahr liefern wir überschüssige Energie in den Rest der Republik, insbesondere in die Ballungsräume im Westen und Süden Deutschlands. Auch der Netzausbau geht rasch voran, deshalb müssen wir immer seltener Windräder abregeln: in nur vier Jahren sind die Abregelungen um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. Das ist eine richtig gute und erfolgreiche Entwicklung, die zugleich Kosten senkt.

Tatsächlich wird der grüne Strom auch heute schon recht günstig erzeugt. Mit dem richtigen Marktrahmen könnte der Bund dafür sorgen, dass kurzfristig auch viele weitere Investitionen in Elektrolyseure, Rechenzentren oder die Batteriezellenproduktion ausgelöst werden.

Das Thema künstliche Intelligenz ist in Schleswig-Holstein in der Staatskanzlei verortet und somit „Chefsache“. Sehen Sie auch Ansätze, von denen die Sozialwirtschaft profitieren kann und sind Sie insgesamt mir der Entwicklung zufrieden?

Die Digitalisierung bietet ein enormes Potential, um die Arbeit im sozialen Bereich weiterzuentwickeln. Zum Beispiel kann der Einsatz digitaler Systeme im Bereich der Pflege dabei helfen, die Pflegenden bei Routinetätigkeiten und Dokumentationspflichten zu entlasten und so Prozesse zu vereinfachen. Pflegekräfte können dann dort eingesetzt werden, wo sie unersetzlich sind – im direkten Kontakt mit pflegebedürftigen Menschen. Das gilt natürlich auch für viele andere soziale Bereiche.

Portraitfoto: © Frank Peter

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